Die Bundeskurie niedergelassene Ärzte hat in den vergangenen Jahren einen modernen und den aktuellen medizinischen Anforderungen entsprechenden Leistungskatalog für alle medizinischen Fächer erarbeitet. Er soll als Grundlage für eine österreichweite Leistungsharmonisierung im kassenärztlichen Bereich dienen und ist der Beitrag der niedergelassenen Ärzteschaft zur seit Jahresbeginn bestehenden Österreichischen Gesundheitskasse. Gemeinsam mit dem Projektleiter Dr. Edgar Wutscher habe ich diesen Leistungskatalog gestern in der „Gesellschaft der Ärzte“ den Medien präsentiert.
State of the art-Leistungen, die keinem Bürger verwehrt bleiben sollten
An diesem mehrjährigen Mega-Projekt waren mehr als 200 Ärztinnen und Ärzte beteiligt. Jetzt liegt ein moderner, völlig überarbeiteter und den aktuellen medizinischen Anforderungen entsprechender kassenärztlichen Leistungskatalog für alle Fächer der Medizin vor. In diesem sind auch die Erfahrungen berücksichtigt, die wir niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in den vergangenen 14 Monaten mit der Corona-Pandemie gemacht haben. Krisen haben das Potenzial, Stärken und Schwächen eines Systems besonders gut erkennbar zu machen, und die während der Pandemie gesammelten Einsichten sollten natürlich nicht verloren gehen, sondern unbedingt in der künftigen Gesundheitsplanung berücksichtigt werden. Ein Beispiel ist der verstärkte Einsatz der Telemedizin im niedergelassenen Bereich.
Es handelt sich dabei um medizinische State of the art-Leistungen, die keinem Bürger verwehrt bleiben sollten. Wir verstehen diesen Leistungskatalog, der von Ärzten für Ärzte erarbeitet wurde und die gesamte aktuelle medizinische Kompetenz bündelt, als Beitrag der niedergelassenen Ärzteschaft zur Kassenreform und zur im Vorjahr gegründeten Österreichischen Gesundheitskasse. Nach der Fokussierung der österreichischen Gesundheitspolitik auf die Corona-Pandemie in den vergangenen 14 Monaten ist es wichtig, jetzt die Weichen für die Zukunft der niedergelassenen Gesundheitsversorgung in sinnvoller, innovativer und praxisgerechter Weise zu stellen.
Das ist kein Honorarkatalog. Wir präsentieren auf rund 150 Seiten einen rundum aktualisierten Katalog, der alle medizinischen Leistungen und ärztlichen Tätigkeiten abbildet, die in den Ordinationen auch tatsächlich geleistet werden können. Welche dieser medizinisch wünschenswerten Leistungen sich dann tatsächlich in der kassenärztlichen Realität wiederfinden wird, wird Gegenstand der Verhandlungen mit der Österreichischen Gesundheitskasse werden.
Hintergrund dieser sehr aufwändigen Aktion der Bundeskurie niedergelassene Ärzte ist, das sich in den vergangenen Jahrzehnten in der Tradition des Föderalismus in Österreich die kassenärztlichen Leistungskataloge regional oft sehr unterschiedlich entwickelt haben. Sie wurden im Laufe der Zeit laufend immer wieder neu verhandelt, verbessert und adaptiert. Je nach Schwerpunktsetzung und medizinischen Notwendigkeiten wurden diese Leistungen unterschiedlich honoriert. Die Leistungskataloge konnten allerdings nicht immer in jedem Punkt mit den rasanten Fortschritten der modernen Medizin, der Behandlungsrealität in den Arztpraxen und den Bedürfnissen der Versicherten Schritt halten. Das Ergebnis ist, dass bestimmte Leistungen in bestimmten Bundesländern angeboten wurden, und in anderen nicht, und dass die ärztlichen Honorare oft ohne sachlichen Grund beträchtlich schwanken. Dazu kommt, dass der bürokratische Aufwand zum Beispiel für die Bewilligung von bestimmten Medikamenten, Diagnosen und Therapien je nach Bundesland sehr unterschiedlich sein kann.
Es ist schwer verständlich, wenn Bürgern unterschiedlicher Landesteile unterschiedliche Kassenleistungen angeboten werden. Die Zufälligkeit des Wohnortes darf hier nicht länger das entscheidende Kriterium sein. Eine Vereinheitlichung ist also nicht nur medizinisch sinnvoll, sondern auch gerecht.
Ein praktisches Beispiel ist die Versorgung chronischer Wunden, die in den Bundesländern sehr unterschiedlich gehandhabt wurde und die im neuen Katalog nun umfassend abgebildet ist. Ebenso verhält es sich etwa bei der Raucher-Beratung, der Menopause-Beratung, der Hauttumor-Nachsorge oder der ambulanten Schlafapnoe.
Innovationen in der Medizin können auch sehr unerwartet breitenwirksame Bedeutung bekommen: Ein Beispiel ist die Telemedizin, deren Stellenwert während der Corona-Pandemie enorm zugenommen hat. Sie hat viele Vorteile gebracht und wird das auch weiterhin tun, weshalb sie unbedingt in einem modernen Leistungskatalog realistisch abgebildet sein muss.
Zu betonen ist auch den Gesichtspunkt des aktuellen Ärztemangels: Veraltete Leistungskataloge tragen auch dazu bei, dass sich immer weniger Mediziner für den Beruf des Kassenarztes entscheiden. Es gibt also viele gute Argumente für einen modernen und österreichweit einheitlichen Leistungskatalog zur Grundlage kassenärztlicher Leistungen. Dazu haben wir einen maßgeblichen Beitrag geleistet.
„Präsentation in ständiger Weiterentwicklung“
Projektleiter Edgar Wutscher fasste die Ergebnisse des neuen Leistungskatalogs wie folgt zusammen:
- Modernisierung des Kataloges
- Einführung neuer, dem aktuellen Medizinstandard entsprechender Leistungen
- Telemedizinische Leistungen, die sich gerade während der Corona-Pandemie besonders bewährt haben, weil sie einen Arzt-Patient-Kontakt ohne steigendes Infektionsrisiko ermöglichen. Im Einzelnen handelt es sich hier um die Teleordination inklusive telefonische Krankschreibung und Online-Rezepte, sowie den elektronischen Datenaustausch zwischen Krankenhaus, Ambulanzen bzw. Patienten.
- Berücksichtigung von wichtigen gesprächsmedizinischen Leistungen
- Besondere Betreuung von Schmerzpatienten
- Intensive Betreuung, Beratung und Begleitung von Patienten mit Verdacht auf Krebs bzw. bei bereits bestehendem Krebs
- Raucherberatung
- Einführung und Berücksichtigung von delegierbaren Leistungen, wie Visiten durch Physiotherapeuten, Ergotherapeuten etc.
- Aufnahme neuer Fachgruppen in den Leistungskatalog
- Nuklearmedizin (z.B. Schilddrüsenabklärung und Behandlung)
- Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie
- Plastische Chirurgie
- Neurochirurgie
Natürlich konnten viele veraltete Leistungspositionen von bestehenden Honorarkatalogen gestrichen werden.
Verbesserungen nicht wegen Corona auf die lange Bank schieben
Dieser Leistungskatalog ist der Beitrag der Ärztevertretung zu einer Kassenreform, die diesen Namen auch wirklich verdient, und bei der die Weichen tatsächlich neu und kompetent gestellt werden. Die zukunftstauglich ist und die Versorgung der Patienten modernisiert und verbessert. Die von uns aufgelisteten Leistungen dürfen aus medizinischer Sicht keinem Patienten verwehrt werden, der davon profitieren kann. Somit liegt eine solide und belastbare medizinische Grundlage für die Verhandlungen zwischen der Ärztekammer und der Österreichischen Gesundheitskasse vor.
Die Coronakrise darf nach über einem Jahr nicht dazu führen, dass wichtige Modernisierungen und Verbesserungen im österreichischen Gesundheitssystem auf die lange Bank geschoben werden.