Wir haben heute zu einem Pressegespräch zum Thema Impfen eingeladen, weil es zuletzt in der politischen und medialen Diskussion an Bedeutung zugelegt hat. Und weil aktuelle, im Zusammenhang mit Sars-CoV-2 stehende Entwicklungen einen zusätzlichen Handlungs- und Innovationsbedarf unterstreichen.
Wir verzeichnen derzeit einen problematischen Rückstau in der Vorsorgemedizin, der auch eine größer werdende Impflücke einschließt. Diese Entwicklung steht unter anderem im Zusammenhang mit dem Shutdown, den die Bundesregierung Mitte März ausgerufen hat. Wie erinnerlich, wurden Arztpraxen damals einerseits aufgefordert, geöffnet zu bleiben um für Patienten notfalls zur Verfügung zu stehen. Andererseits sollten möglichst nur Akutpatienten Arztpraxen aufsuchen, um das Risiko einer Infektionsübertragung zu minimieren. So wurden viele Vorsorgemaßnahmen, darunter auch Impfungen, verschoben. Die Impflücke, die schon aufgrund der verbreiteten Impfskepsis ohnehin größer ist, als es der Gesundheit zuträglich ist, vergrößerte sich weiter.
Jetzt geht es darum, nach dem Wiederhochfahren der Arztpraxen den vorsorgemedizinischen Nachholbedarf möglichst schnell wieder auszugleichen. Wir haben bei diesem Pressegespräch, bei dem auch die Impf-Expertin Frau Univ.-Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmid von der MedUni Wien und Dr. Rudolf Schmitzberger, der Leiter des Impfreferates der Österreichischen Ärztekammer teilgenommen haben, eine Reihe von Vorschlägen gemacht, wie man die Impflücke verkleinern kann. Denn jetzt ist ein günstiger Zeitpunkt, um überfällige Impfungen nachzuholen.
Aus der Sicht der Ärztevertretung ergeben sich eine Reihe von Forderungen:
- Zunächst einmal sollten alle zur freien Berufsausübung berechtigten Ärztinnen und Ärzten impfen dürfen – ohne jede Fachbeschränkung. Diese Forderung der Ärztekammer muss endlich in Form einer Änderung des Ärztegesetztes umgesetzt werden. Die jetzige Aufhebung der Fachbeschränkung, dass Kinderärzte keine Erwachsenen impfen dürfen, ist nur vorübergehend durch eine Pandemieverordnung aufgehoben.
- Wir fordern, dass Patienten in Arztpraxen uneingeschränkt Impfstoffe beziehen können, weil das den Zugang zu Impfstoffen und Impfungen erheblich vereinfacht.
- Die von der Bundesregierung in Aussicht gestellte Aufnahme der Influenza-Impfung in das Gratisimpfkonzept muss unbedingt umgesetzt werden. Hier warten wir noch auf die Bestätigung und die Details. Kinder, im speziellen Kindergartenkinder, sind bei der Influenza massive Verbreiter der Infektion. Sie systematisch gegen Influenza zu immunisieren ist aus vorsorgemedizinischer Sicht besonders wichtig.
- Die Zeit drängt allerdings, weil die Bestellkontingente der einzelnen Länder bei Influenza-Impfstoffen vermutlich bereits ausgeschöpft sind. Die Länderzuteilung der Hersteller für 2020/21 erfolgt nach der letztjährigen Verbrauchssituation, und Österreich liegt mit weniger als 10 Prozent nicht in der Top Liga. Nach unseren Informationen wird die von Österreich bestellte Impfstoff-Menge für die bevorstehende Influenza-Saison hinter dem Bedarf zurückbleiben. Hier erwarten wir vom Gesundheitsministerium noch einen maximalen Einsatz.
- Impfen ist ärztliche Tätigkeit, und soll das auch bleiben. Apotheker, deren Standesvertretung zunehmend darauf drängt, dass ihre Mitglieder nicht nur Impfstoffe verkaufen, sondern auch Impfungen durchführen dürfen, sind absolute Fachleute: aber eben nur auf ihrem Gebiet. Ihnen fehlt jegliche klinische Ausbildung. Im Impfplan ist klar festgehalten, was zur Impfleistung gehört. Apothekern fehlt bereits die Ausbildung, um die Impftauglichkeit fundiert festzustellen. Sie sind nicht geschult, akute Impfreaktionen zu behandeln, etc. Die im österreichischen Impfplan ebenfalls vorgeschriebene Impfaufklärung und Nachbeobachtung nach einer Impfung stellen für die Apotheken weitere Herausforderungen dar. Impfen ist aus gutem Grund eine rein ärztliche Tätigkeit.
- Um den Zugang zu Impfungen zu erleichtern, sollten vermehrt Impfungen am Arbeitsplatz durchgeführt werden.
- Wir fordern staatlich verstärkt finanzierte Aufklärungs- und Impfprogramme.
Sehr gerne wird die Ärztekammer im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch weiterhin alles tun, um die Bürger von der Sinnhaftigkeit von Schutzimpfungen zu überzeugen. Aber dafür brauchen wir auch eine deutliche und konsequente Unterstützung durch die Politik.