Die Gesundheitsministerin hofft also, dass ihr Gesetz zur Primärversorgung noch vor den Nationalrats-Wahlen am 15. Oktober beschlossen wird. Das ist aus ihrer Sicht verständlich. Nicht zuletzt aufgrund der sturen ideologischen und erkennbar machtpolitisch motivierten Position mancher Gesundheitspolitiker, Beamter und Sozialversicherer wurde das Gesetz zu den Primärversorgungs-Einheiten inzwischen zu einer unendlichen Geschichte, die der Professionalität vieler Politiker und Bürokraten kein gutes Zeugnis ausstellt. Und dass die Ministerin einen Erfolg einfahren will, indem sie dieses Projekt zu einem Abschluss bringt, kann man nachvollziehen.
Doch auch hier gilt: Speed kills. Der Gesetzesentwurf bringt zwar gegenüber früheren Primärversorgungseinheits-(
Hier ist dem neuen Chef des Hauptverbandes der Sozialversicherungen Alexander Biach zuzustimmen: Er meinte bereits wenige Tage nach seiner Wahl, es sei „kein Drama“, wenn aufgrund der Neuwahlen das PVE-Gesetz doch nicht mehr kommen sollte. Und er betonte, dabei Argumente der Ärztekammer aufgreifend, dass bereits bestehende rechtliche Regelungen die Errichtung von Primärversorgungseinheiten ermöglichen.
In der Tat: Offene Fragen und strittige Punkte des Gesetzesentwurfes sollten noch geklärt werden, bevor der Entwurf Gesetz wird. Kein Gesetz, das vor den Wahlen noch schnell durchgewinkt wird, wäre ebenso wenig ein „Drama“ wie überhaupt kein Gesetz. Schon ein „Drama“ wäre allerdings ein problematisches Gesetz mit negativen Auswirkungen.
Der Vorstand der Ärztekammer für Wien hat deshalb am Dienstagabend eine Resolution beschlossen, in der die österreichische Bundesregierung in Anbetracht der aktuell schwierigen innenpolitischen Situation aufgefordert wird, das PHC-Gesetz „auf keinen Fall im Schnellverfahren durchzupeitschen“.
Die Resolution im Wortlaut
„Die Ärztekammer für Wien fordert die österreichische Bundesregierung in Anbetracht der aktuell schwierigen innenpolitischen Situation auf, das PHC-Gesetz auf keinen Fall im Schnellverfahren durchzupeitschen. Die Stärkung der Primärversorgung ist ein wesentliches Anliegen der Ärztekammer, vor allem zum Schutz und zur Stärkung der Hausärztinnen und Hausärzte sowie im Interesse der Patientenversorgung.
Der in der Begutachtung stehende Entwurf zeigt zukunftsweisende Wege auf, so sind zum Beispiel gewinnorientierte Ambulatorien in der Primärversorgung nicht vorgesehen. Er hat aber noch viele Schwächen und ist – siehe die weit mehr als 100 eingelangten Stellungnahmen – noch nicht ausgereift. Allein der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger hat mehr als 125 Änderungsvorschläge gemacht.
In Anbetracht der sehr eng geplanten parlamentarischen Abläufe, die für eine Regierungsvorlage beziehungsweise einen Initiativantrag nur wenige Tage Zeit lassen, besteht die eminente Gefahr, dass jetzt im Schnellverfahren ein Gesetz vom Zaun gebrochen wird, das langfristig mehr Probleme verursacht, als es löst.
Für zahlreiche essenzielle Fragestellungen der Ärztekammer liegen noch nicht einmal Lösungsvorschläge auf dem Verhandlungstisch. Dies betrifft zum Beispiel (als wesentlichste Punkte):
• die Absicherung der Vertretungsregelungen im Rahmen der Freiberuflichkeit, neben der Möglichkeit der Anstellung von Ärzten bei Ärzten
• eine Obergrenze für PHC-Einheiten zur Absicherung der Einzelordinationen als Versorgungsmodell
• kein Zwang zur Bildung von Zentren; die Freiheit der Ärzteschaft, PHC als Netzwerke zu gründen
• das Verbot der finanziellen Besserstellung von Ambulatorien gegenüber freiberuflichen Ärztinnen und Ärzten
• Gesamtverträge auch auf Landesebene
• Wegfall der Altersgrenzen wie bei den Ambulatorien
Die Ärztekammer hat bereits in der Vergangenheit den Beweis erbracht, dass sie erfolgreiche PHC-Projekte zustande bringt, wie zum Beispiel das PHC Mariahilf, das erst diese Woche auch von der Stadt Wien und der Wiener Gebietskrankenkasse positiv evaluiert wurde.
Der Vorstand der Ärztekammer für Wien bietet dem Hauptverband, der Wiener Gebietskrankenkasse und der Stadt Wien an, bis zum Jahr 2021 auch ohne PHC-Gesetz weitere PHC-Projekte in einer Reformpartnerschaft umzusetzen. Gleichzeitig müssen auch Maßnahmen verhandelt werden, die den Beruf der Hausärztin und des Hausarztes attraktiver machen und die bestehenden Hausarztordinationen dabei stärken, die hausärztliche Versorgung weiter zu verbessern.“