Aus meiner Sicht ist der Beruf der Ärztin und des Arztes der interessanteste und vielseitigste, den ich mir vorstellen kann. Würde mich heute ein junger Mensch fragen, ob er Arzt werden soll, so wäre meine Empfehlung ein „Ja“. Es wäre allerdings, anders als früher, kein „Ja ohne Wenn und Aber“. Mein Erklärungsbedürfnis bezöge sich nicht auf die ärztliche Tätigkeit als solche, sondern auf die schlechter werdenden Rahmenbedingungen unseres Berufes.
Und damit sind wir bei einem zentralen Ergebnis einer Befragung von rund 260 Ärzten in Österreich, die heute auf einer Pressekonferenz zum Thema „Herausforderung: Arzt sein heute!“ im Presseclub Concordia vorgestellt wurde – eine idente Umfrage gab es im Jahr 2012. Auf die Frage: „Wie zufrieden sind sie im Allgemeinen mit ihrem Beruf“, antworten heute nur noch 26 Prozent mit „sehr zufrieden“, vor fünf Jahren waren es 40 Prozent. Der Anteil der Ärztinnen und Ärzte, die schlicht und einfach „unzufrieden“ sind, ist in nur fünf Jahren von 2 Prozent auf 15 Prozent angestiegen.
Dass mit 31 Prozent knapp ein Drittel der Ärzte in Österreich mit ihrem Beruf in unterschiedlichem Ausmaß unzufrieden sind, ist eine Entwicklung, die von den Zuständigen auch versorgungspolitisch sehr ernst genommen werden muss. Eine zunehmende Unzufriedenheit der Ärzte mit ihren beruflichen Rahmenbedingungen wird keinen positiven Einfluss auf die Berufsentscheidung jungen Menschen haben und wird sie vom Arztberuf tendenziell fernhalten. Das kann sich Österreich nicht leisten, denn unsere Gesundheitsversorgung braucht diesen Nachwuchs dringend – hier ist die Politik gefordert, mit Nachdruck gegenzusteuern.
Negative Spitzenreiter: Bürokratie, mangelnde Wertschätzung, EDV samt Kosten, Zeitdruck
Die Ursachen der verbreiteten Unzufriedenheit vieler Ärzte mit ihrer beruflichen Situation liegen nicht in individuellen Faktoren oder persönlichen Problemen, sondern sind struktureller Art. Spitzenreiter unter den Ärgernissen ist mit 88 Prozent der bürokratische Aufwand – er war bereits 2012 die Nummer 1. Das ist mehr als plausibel. Jede Ärztin und jeder Arzt kennt die oft unsinnigen bürokratischen Vorgaben in Krankenhäusern und Arztpraxen, vieles davon bringt Patienten keinerlei Vorteile. Ein Beispiel dafür ist die Formular-Flut, die von Kasse zu Kasse variiert und einen enormen Zeitaufwand erfordert. Die Ärztevertretung fordert schon lange, hier zu entbürokratisieren, damit die Zeit von Ärztinnen und Ärzten den Patienten zu Gute kommt und nicht in sinnloser Bürokratie versickert.
An zweiter Stelle der Ärgernisse steht mit 78 Prozent bereits die fehlende Wertschätzung der ärztlichen Tätigkeit durch Krankenkassen und Politik. Dieser Trend hat sich erst in vergangenen Jahren massiv verschärft, in den Umfrageergebnissen von 2012 war davon noch nicht die Rede. Ein Ergebnis, das wohl niemanden verwundert, der berufsmäßig mit Sozialversicherungen und der Gesundheitspolitik zu tun hat.
Und auf Platz drei der Ärgernisse kommen mit 57 Prozent die Themen EDV und die damit verbundenen Kosten. Ein zentrales Stichwort ist hier die ELGA, bei der wesentliche Aspekte wie die Benutzerfreundlichkeit, der Datenschutz und die Befundvollständigkeit unverändert offen sind und die Frage der Kosten völlig ungeklärt ist. Hier erwarten Patienten und Ärzte von der Politik zufriedenstellende Antworten.
Heute ebenso wie vor fünf Jahren findet sich „Zeitdruck durch hohe Patientenzahl“ unter den Top 5 Ärgernissen. Hier geht es politisch zum einen darum, für ausreichend medizinischen Nachwuchs zu sorgen. Zum anderen wird es nötig sein, die Rahmenbedingungen der kassenärztlichen Tätigkeit wieder so attraktiv zu gestalten, dass es ausreichend Kassenärzte gibt.
Was Ärzte besonders schätzen: Vielseitigkeit, gute Kontakte zu Patienten, Herausforderung, Vertrauen und Wertschätzung, Patientenbetreuung
Und nun zur Frage, was Ärztinnen und Ärzte an ihrem Beruf besonders schätzen. Nummer 1 ist mit 91 Prozent dessen „Vielseitigkeit“, gefolgt von „guter Kontakt und Beziehungen zu den Patienten (89%), den Herausforderungen (88%), Vertrauen und Wertschätzung (87%), die Betreuung der Patienten (84%) und die Freiberuflichkeit (79 Prozent). Was also im Zentrum unseres Berufes steht, nämlich eine gute und engagierte Beziehung zu Patienten mit dem Ziel einer bestmöglichen Behandlung, das machen Ärztinnen und Ärzte ganz besonders gerne. Das darf auf keinen Fall durch bürokratischen und wirtschaftlichen Druck, unattraktive Rahmenbedingungen unserer Tätigkeit, oder ein das Arzt-Patient-Verhältnis gefährdendes Spitzelunwesen wie das „Mystery Shopping“ aufs Spiel gesetzt werden.
Auch der Gesichtspunkt ständiger Weiterentwicklung und Weiterbildung ist maßgeblich für die Zufriedenheit mit dem Arztberuf. Von Pharma-Unternehmen erwarten sich Ärzte primär die Unterstützung bei der Fortbildung, allerdings unabhängig und nicht interessensgeleitet.
Geeigneter Anlass für Politik und Kassen aktiv zu werden
Für mich sind solche Umfrageergebnisse besonders wertvoll, weil sie Hinweise darauf geben, ob wir als Ärztevertreter mit unserer Politik die Kolleginnen und Kollegen dort abholen, wo sie stehen. Die hier vorliegenden Ergebnisse sehe ich als eine sehr eindeutige Bestätigung der Richtigkeit und Stichhaltigkeit unserer Positionen. Ich hoffe, dass sie von der Gesundheitspolitik und den Sozialversicherungen als Anlass dafür gesehen werden, in die richtige Richtung aktiv zu werden.