In der nachrichtenarmen Zeit des medialen Sommerlochs kommt manch ein Repräsentant des österreichischen Gesundheitssystems auf die abstrusesten Ideen, um es in die Medien zu schaffen und um der eigenen Berühmtheit ein wenig auf die Sprünge zu helfen.
Da machte sich gestern SPÖ-Gesundheitssprecher Erwin Spindelberger doch tatsächlich für die Abschaffung des Wahlarztsystems stark. Die Kritik an diesem absonderlichen Vorhaben, dessen Umsetzung unser niedergelassenes Versorgungssystem in eine schwere Krise stürzen würde, kam dann auch derart massiv und von alles Seiten daher, dass sich SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler schon wenige Stunden später veranlasst sah, zurück zu rudern: Er begrüße diesen „wichtigen Beitrag zur Diskussion über eine faire medizinische Versorgung“, ließ er via Presseaussendung mitteilen. Die SPÖ werde „mit Sicherheit keine Schritte setzen, die zu einer finanziellen Mehrbelastung der PatientInnen führen“. Richtig gedacht, aber halt etwas spät. Hätte man nicht mit einem entbehrlichen „wichtigen Beitrag zur Diskussion“ sinnlos Wind gemacht, hätte man sich das Glätten der Wogen sparen können. Vielleicht klappt es beim nächsten Mal besser.
Bachingers Zielscheibe war selbstverständlich die Ärzteschaft
Heute war Patientenanwalt Gerald Bachinger an der Reihe. Seine Zielscheibe war, wie könnte es anders sein, die Ärzteschaft. Patienten, ließ er wissen, würden in den „zweitklassigen kassenärztlichen Bereich“ abgedrängt und damit in eine „defizitäre Versorgung“ im niedergelassenen Bereich. Und auch ein kleiner Scherz durfte nicht fehlen: Den Ärzten gehe es halt um „Monetik statt Ethik.“
Auf Patientenanwalt Bachinger ist eben stets Verlass, wenn es darum geht, die aktuelle Gesundheitspolitik von bestimmten Repräsentanten des Hauptverbandes und des Gesundheitsministeriums möglichst kompromisslos zu vertreten und gleichzeitig die Ärzteschaft pauschal abzuurteilen. Es muss deshalb einmal mehr die Frage gestellt werden, wieso ein mit öffentlichen Geldern bezahlter Patientenanwalt als Sprachrohr und Lobbyist einer Gesundheitspolitik agiert, die unser Versorgungssystem zunehmend in Bedrängnis bringt, wobei die Patienten die Haupt-Leidtragenden sind.
Bachingers durch und durch politisches Amtsverständnis
Die Antwort liegt auf der Hand. Anders als viele derzeit aktive, aber auch frühere Patientenanwälte, die diskret und wirksam Patienteninteressen zu ihrem Recht verhelfen, lässt Bachinger ein durch und durch politisches Amtsverständnis erkennen. Ihm geht es offensichtlich darum, gewissen Vorstellungen mancher Gesundheitspolitiker und Sozialversicherer Nachdruck zu verleihen, indem er ihnen die höheren Weihen der Unterstützung durch eine angeblich unabhängige Patientenanwaltschaft verleiht. Und weil die Ärzteschaft häufig seine Kreise stört, wird sie pauschal diskreditiert, „Monetik statt Ethik“ halt – so sieht der Patientenanwalt die Welt.
Etwas Rückenwind für das unausgereifte PHC-Gesetz des BMG
Seine aktuellen Ausfälle gegen die Ärzteschaft waren wohl auch dem Bemühen geschuldet, dem unausgereiften PHC-Konzept des Gesundheitsministeriums, das aus guten Gründen nicht vorm Fleck kommt, Rückenwind zu verleihen. Offenbar brauchen bestimmte Vertreter des Gesundheitsministeriums und des Hauptverbandes Unterstützung dabei, ihre zum Teil absonderlichen Vorstellungen vom Primärversorgungszentren doch noch in die Zukunft zu retten. Wir erinnern uns in diesem Zusammenhang an bisherige Konzepte wie eine Primärversorgung ohne zentrale Kompetenz von Ärzten. Und wir erinnern an unsere Warnungen, dass so eine Politik es wohl auch in Kauf nehmen würde, dass PHC-Zentren nach den Vorstellungen des BMG von privaten Konzernen oder Investoren übernommen und nach ausschließlich betriebswirtschaftlichen Kriterien geführt werden.
Und wir wollen auch nicht übersehen, dass es immer noch die erkennbare Hauptabsicht bestimmter Vertreter der Gesundheitspolitik ist, die Ärzteschaft über ein PHC-Gesetzt zu schwächen und anstelle des Gesamtvertrages Direktverträge mit einzelnen Ordinationen oder PHC-Zentren zu vereinbaren. Es ist abzusehen, dass dies zu einer Schlechterstellung der Patienten führen würde, weil einzelne Ordinationen oder PHC-Zentren gegenüber den übermächtigen Kassen bei Verhandlungen einen schlechteren Stand hätten.
Österreicher sind mit niedergelassenem Bereich zu 95 Prozent zufrieden
Möglicher Weise stört all das Patientenanwalt Bachinger nicht, oder er setzt sich als Lobbyist über alles hinweg, was nicht in das gewünschte Bild passt. Zum Beispiel, dass sich in aktuellen Umfragen 95 bzw. 96 Prozent aller Befragten mit ihren niedergelassenen Kassenärzten sehr zufrieden oder zufrieden zeigten.
Niemand braucht einen treuen Diener der gesundheitspolitischen Obrigkeit
Bachinger hat sich in seinem Handeln von dem, was einen dem Patientenwohl verpflichteten Patientenanwalt ausmacht, problematisch weit entfernt. Wie es anders geht, zeigen die Patientenanwälte vieler Bundesländer. Aber auch der Wiener Patientenombudsmann Franz Bittner, der sich seine Unabhängigkeit bewahrt hat und sich für die Interessen von Patienten einsetzt. Niemand braucht einen Patientenanwalt, dessen Amtsverständnis vom Wunsch dominiert wird, ein treuer Diener der gesundheitspolitischen Obrigkeit zu sein.