Ärzte als „Gesundheitsdienstleister“ oder „Gesundheitsanbieter“ zu bezeichnen, hat System. Hier wird sprachlich nachvollzogen, was manche Gesundheitspolitiker längst betreiben: Ärzten ihren Wissens- und Kompetenzvorsprung gegenüber nichtärztlichen „Gesundheitsberufen“ abzuerkennen. Doch das ist erst der Anfang.
Ich wollte niemals etwas anderes sein als Arzt. Das Besondere am Arzt-Patient-Verhältnis war ein maßgebliches Motiv für meine Berufswahl. Ein weiteres Motiv war die Freiberuflichkeit. Und ich weiß aus zahllosen Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen, dass auch sie sich aus diesen oder ähnlichen Gründen für den Arztberuf entschieden haben.
Seither haben sich allerdings die Rahmenbedingungen unserer Tätigkeit alles andere als verbessert. Gesundheitspolitik und Sozialversicherungen haben vieles unternommen, das uns Ärzten unseren Beruf erschwert, Ungeheuerlichkeiten wie das „Mystery Shopping“ machten das Maß zuletzt voll. Und zunehmend wird auch unsere zentrale Rolle und Kompetenz in der Gesundheitsversorgung relativiert.
Da passt es ins Bild, uns Ärzte zunehmend nicht mehr als Ärzte, sondern als „Gesundheitsdienstleister“ oder „Gesundheitsanbieter“ zu bezeichnen. Das ist mehr als eine Petitesse, über die man großzügig hinwegsehen könnte: Das hat System. Hier wird sprachlich nachvollzogen, was manche Gesundheitspolitiker und „Experten“ bereits konsequent betreiben: Ärzten ihren Kompetenzvorsprung abzuerkennen, indem die Wissens- und Ausbildungsunterschiede zwischen ärztlichen und nicht-ärztlichen „Gesundheitsberufen“ eingeebnet werden.
Zuviel „Augenhöhe“ kann für Patienten gefährlich werden
Das ist keineswegs nur blasse Theorie, sondern kann sehr handfeste Konsequenzen haben: Man erinnere sich an Modelle für anonyme PHC-Zentren aus dem Gesundheitsministerium, in denen Ärzte mit Vertretern anderer „Gesundheitsberufe“ „auf Augenhöhe“ zusammenarbeiten sollten. Derlei Modelle haben tatsächlich auch schon vorgesehen, dass Vertreter aller in einem Zentrum vertretenen Professionen den Erstkontakt mit Patienten bzw. „Kunden“ wahrnehmen können. Fatal, wenn dann ein „nichtärztlicher Gesundheitsdienstleister“ zum Beispiel eine Meningokokken-Infektion mit einem grippalen Infekt verwechselt und ein „Kunde“ wegen allzu viel „Augenhöhe“ bei der Behandlung Schaden nimmt.
Aber was soll‘s, der Augenhöhe-Kitsch im „gleichberechtigten multiprofessionellen Team“ ist halt irgendwie moderner und schicker, als wenn sich ein unverbesserlicher ärztlicher „Einzelkämpfer“ oder ein Repräsentant des „Auslaufmodells Hausarzt“ – beides von der Gesundheitspolitik gerne verwendete Begriffe – um seine Patienten kümmert.
Da wirkt es dann geradezu kleinlich, wenn man darauf verweist, dass Ärzte nun einmal ungleich länger und profunder ausgebildet sind als andere „Gesundheitsdienstleister“. Oder dass in Umfragen 96 Prozent der Patienten mit ihrem niedergelassenen Arzt zufrieden sind. Egal, im Zweifelsfall tun es für manche Gesundheitspolitiker eben auch in Fachhochschulen ausgebildete „Paramedics“, wie sie z. B. für Niederösterreich als Notfallsanitäter angekündigt wurden.
Wissensvorsprung der Ärzteschaft von der Politik gezielt neutralisiert
Ein aktuelles Beispiel dafür, wie Wissensvorsprünge der Ärzteschaft von der Politik gezielt neutralisiert werden sollen, ist die „multiprofessionell“ zusammengesetzte Facharbeitsgruppe des Gesundheitsministeriums zum Mutter-Kind-Pass: Die dort teilnehmenden Ärzte können auch in medizinischen Spezialfragen von Nicht-Medizinern jederzeit überstimmt werden.
Problematische Rolle vieler „Gesundheitsexperten“ und „Ärzte-Kritiker“
Eine oft problematische Rolle bei solchen Entwicklungen spielen von der Politik beauftrage „Gesundheitsexperten“: Zum Beispiel Gesundheitswissenschaftler, Gesundheitssoziologen, Gesundheitsplaner, Gesundheitsökonomen, Fachleute für Health Technology Assessment, und auch die Profession des „Ärzte-Kritikers“ gibt es allen Ernstes. Da findet sich neben echter Expertise auch eine Menge Ahnungslosigkeit und natürlich sehr viel Ideologie. Und damit man sich auch für die Zukunft Aufträge der Gesundheitspolitik sichert, gibt es auch eine oft fatale Tendenz zu Modernismen und Reformen um der Reform willen: The show must go on.
„Unabhängige“ Begleiter politischer Machtspiele
Zielscheibe vieler „Gesundheitsexperten“ sind wir Ärzte. Wir haben die meiste Kompetenz in Fragen der Gesundheitsversorgung, wir erfreuen uns einer hohen Akzeptanz durch die Bevölkerung, und wir melden uns kritisch zu Wort, wenn die Gesundheitspolitik die Weichen falsch stellt. Das wird natürlich nicht gern gesehen.
Und deshalb werden problematische PHC-Zentren à la Gesundheitsministerium, ideologisch begleitet von „unabhängigen Gesundheitsexperten“, als trendiges Allheilmittel präsentiert. Während das Ministerium damit primär das Ziel verfolgt, den Gesamtvertrag zu durchlöchern, den herkömmlichen niedergelassenen Bereich auszutrocknen und die Ärztevertretung möglichst auszuhebeln. Am liebsten wüsste wohl so mancher möglichst viele Ärzte in anonymen (Primär)Versorgungszentren, wo wir als „Gesundheitsdienstleister“ staatsmedizinisch besser gegängelt werden können – Freiberuflichkeit, auf Wiedersehen.
Neue Herausforderungen für uns Ärzte
Das alles hat, wie gesagt, System. Es kommen also beträchtliche und auch neue Herausforderungen auf uns Ärzte zu.
Auf den Punkt gebracht: Ich möchte, dass der Arztberuf ein freier Beruf bleibt. Ich möchte, dass weiterhin Patienten zu ihrem Arzt gehen, und nicht Kunden zu einem Gesundheitsanbieter. Und ich wünsche mir geeignete Rahmenbedingungen, damit unser Beruf wieder attraktiver wird. Dafür kämpfe ich als Arzt und als Standespolitiker. Bitte unterstützen Sie mich dabei.