Die aktuellen Zahlen des Hauptverbandes zum E-Card-Missbrauch zeigen: Ausweispflicht und Mystery Shopping bringen wohl so gut wie nichts.
Als die Bundesregierung ankündigte, die verpflichtende Identitätsfeststellung von Patienten, Mystery Shopping & Co gesetzlich zu fixieren, hat die Ärztekammer, wie erinnerlich, sofort auf die Fragwürdigkeit und Unverhältnismäßigkeit der geplanten Maßnahmen hingewiesen: Wir haben, unterstützt durch offizielle Zahlen, davor gewarnt, ein gesetzlich gestütztes Bürokratiemonster von der Leine zu lassen, das nur einen unnötigen Zusatzaufwand für Ärzte bringt, dem aber kein vernünftiges Einsparungspotential gegenüber steht. Einmal mehr hat die Bundesregierung unseren Hinweis ignoriert, dass die in den Arztpraxen für Ausweiskontrollen etc. aufgewendete Zeit besser den Patienten zu Gute käme, und das Gesetz wurde beschlossen.
Aktuelle Zahlen des Hauptverbandes zum Thema E-Card-Betrug zeigen nun, wie sehr mit den neuen gesetzlichen Regelungen mit Kanonen auf Spatzen geschossen wurde. Hauptverband-Generaldirektor Dr. Josef Probst gibt in einer Stellungnahme zu einer parlamentarischen Anfrage der FPÖ an, dass nach den Angaben der einzelnen Träger im Jahr 2014 bei der WGKK acht Fälle festgestellt wurden, bei denen „jeweils eine Person mit der E-Card einer anderen Person Leistungen ungerechtfertigt bezogen hat“. Der Schaden belief sich auf Euro 1.695,79, „davon konnten bislang Euro 103,20 eingetrieben werden.“ Die NÖGKK wiederum hatte 2014 in sieben Fällen Recherchen durchgeführt: „Davon konnte in sechs Fällen kein Schaden festgestellt werden. Ein Fall ist noch nicht abgeschlossen.“ Bei der OÖGKK „sind nur einzelne Fälle von E-Card-Missbrauchs bei der Leistungsinanspruchsnahme bekannt.“ In Vorarlberg ergab sich in zwei Fällen der Verdacht auf E-Card Betrug. Der Schaden: Euro 38,40. Bei der KGKK wurden drei Fälle von E-Card Betrug gerichtlich verfolgt, der Schaden belief sich auf insgesamt Euro 2.397,22. Und „bei der gesamten SVA der Gewerblichen Wirtschaft wurde ein Fall von E-Card-Betrug bekannt. Der entstandene Schaden kann derzeit nicht beziffert werden.“ Dr. Probst weiter: „Es gibt keine Evidenz darüber, dass es tatsächlich mehr Fälle gibt als dokumentiert.“
Hoher Aufwand, wenig Nutzen
Selbstverständlich ist E-Card-Betrug strikt abzulehnen. Halten wir aber dennoch fest, dass für einen Gesamtschaden von insgesamt ein paar Tausend Euro pro Jahr – Österreich weit, wohlgemerkt – ein gesetzliches Regelwerk geschaffen wurde, das den österreichischen Ärztinnen und Ärzten einen immensen bürokratischen und zeitlichen Mehraufwand zumutet. Dazu ein kleines Rechen-Experiment: Wird bei jährlich 130 Millionen E-Card-Konsultationen im niedergelassenen Bereich bei nur jedem zehnten Patienten per Ausweiskontrollen überprüft, ob er tatsächlich der legitime Besitzer der E-Card ist, und dauert so eine Kontrolle im Schnitt 10 Sekunden, so summiert sich das auf zusätzlich 4.500 Arbeitstage pro Jahr auf. Arbeitszeit, für die niedergelassene Ärztinnen und Ärzte aufkommen müssen.
Außerdem gibt es in Österreich jedes Jahr mehr als 17 Millionen Ambulanzkontakte. Werden im Schnitt 10 Sekunden für die Ausweisleistung aufgewendet, so kommen übers Jahr zusätzlich rund 6.000 Arbeitstage zusammen. Und das in Zeiten von Personalknappheit in Spitälern und Kostendruck im Gesundheitssystem.
Energischer Griff ins Leere
Aber egal, Hauptsache man kann der Ärzteschaft wieder einmal eine zusätzliche Belastung umhängen, die zwar niemandem etwas bringt, aber wohl den Eindruck einer entschlussfreudigen Regierungspolitik erwecken soll, die energisch durchgreift – auch wenn es ein Griff ins Leere ist.
Selten hat man vom Hauptverband selbst derartig eindrucksvoll bestätigt bekommen, dass viele gesundheitspolitisch relevante politische Entscheidungen für Ärzte einen beträchtlichen Zusatzaufwand bedeuten, dem kein entsprechender Nutzen gegenübersteht. Macht ja nichts, der Mehraufwand trifft ja bloß die lästigen Ärzte, die ständig nur „bremsen“ und immer wieder vor gesundheitspolitischen Fehlentwicklungen warnen (so wie z. B. bei Mystery Shopping und der Pflicht zur Identitätsfeststellung von Patienten). Und in der Kunst, Ärzte zu schikanieren, sind manche Gesundheitspolitiker und Sozialversicherer inzwischen schon recht bewandert.
In der Disziplin des „Schießens mit Kanonen auf Spatzen“ waren unsere Politiker bei ihren gloriosen Maßnahmen gegen den angeblich so immensen E-Card-Betrug wieder einmal schwer zu übertreffen. Es ist höchste Zeit, dass die oben angesprochene Schikane niedergelassener Ärztinnen und Ärzte per Gesetzesnovelle wieder aus der Welt geschaffen wird.