Offener Brief an die Gesundheitspolitik: Es ist nicht nur das Recht, sondern die Pflicht einer ärztlichen Standesvertretung, auf drohende Leistungseinschränkungen und auf eine potentielle Verschlechterung in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung rechtzeitig hinzuweisen.

Zum Nachlesen im Wortlaut: Unser offener Brief an die Gesundheitspolitiker — und deren Schreiben, auf das wir damit reagiert haben.

Östereichsiche Ärztekammer

Ergeht an:

o Frau Bundesministerin Dr. Sabine Obverhauser 0 Herrn Bundesminister Hans-Jörg Schelling o Herrn Bundesminister Rudolf Hundstorfer o Herrn Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer o Frau amtsführende Stadträtin Mag. Sonja Wehsely o Herrn Landesrat Dr. Christian Bernhard o Herrn Landesrat Dr. Peter Rezar o Herrn Mag. Peter McDonald, Vorsitzender HVB o Frau Mag. lngrid Reischl, Obfrau WGKK

Wien, 25.3.2015

Sehr geehrte Frau Bundesministerin!
Sehr geehrte Herren Bundesminister!
Sehr geehrter Herr Landeshauptmann!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Den an mich gerichteten offenen Brief beantworte ich aufgrund der Betroffenheit der
gesamten österreichischen Ärzteschaft gemeinsam mit den Präsidenten aller Landesärztekammern und den beiden Bundeskurienobmännern der Österreichischen Arztekammer.
Völlig zu Recht stellen Sie die besondere Qualität der österreichischen Gesundheitsversorgung in den Mittelpunkt lhres Schreibens. Dies ist auch unser höchstes Ziel,  waren es doch in erster Linie die Angehörigen der Gesundheitsberufe, insbesondere
die Arztinnen und Arzte, die in den letzten Jahrzehnten ganz wesentlich am Aufbau
und an der Entwicklung dieses international führenden Versorgungssystems mitgearbeitet
haben. Wie verletzbar dieses System allerdings mittlenryeile geworden ist, zeigt allein schon die Tatsache, dass bereits die seit mehr als 10 Jahre überfällige Umsetzung von
europäischen Standards des Arbeitnehmerlnnenschutzes im Bereich der Spitalsärztinnen und -ärzte in Österreich zu spürbaren Engpässen führt. Lediglich beispielshaft seien eine dünne Personaldecke, reformbedürftige Arbeitsbedingungen, die laufende Arbeitsverdichtung sowie zunehmende Wartezeiten für Patientinnen und
Patienten genannt.
Gleichzeitig rächt sich jetzt der jahrelang verschleppte Ausbau des niedergelassenen
Bereichs. Die versäumte Anpassung der Kassenarztstellen an die demografischen
Verhältnisse bringt es mit sich, dass die niedergelassenen Vertragsärztinnen und -ärzte
die Betreuung der aus den Ambulanzen ausgelagerten Patientinnen und Patienten
nicht zusätzlich übernehmen können. Die Versorgungssituation insgesamt wird dadurch verschärft, dass gleichzeitig zusätzliche Herausforderungen zu bewältigen sind: Die Alterung der Bevölkerung, eine zu enwartende Pensionierungswelle in der Ärzteschaft, die Feminisierung des Alztberufes und die Emigration von Jungärztinnen und -ärzten ins Ausland seien als Beispiele angeführt.
Angesichts dieser Aufgabenfülle ist es nicht hilfreich, Ärztinnen und Ärzten, die auf
nachweisbare Fakten hinweisen, Verunsicherung der Bevölkerung vorzuwerfen. lnsbesondere dann nicht, wenn es sich um Persönlichkeiten handelt, die sich aus ihrer beruflichen Erfahrung und ihrer Verantwortung für die Versorgung der Bevölkerung zu
Wort melden. Wir verwehren uns gegen Ermahnungen und Schuldzuweisungen öffentlicher Verantwortungsträger, die Frustrationen bei den ohnedies bis an die Grenzen
des Möglichen arbeitenden Ärztinnen und Arzten auslösen. Vielmehr sollte es unsere gemeinsame Aufgabe sein, messbare Fakten objektiv zu bewerten und konstruktive Lösungen zu erarbeiten.

Es ist nicht nur das Recht, sondern die Pflicht einer ärztlichen Standesvertretung, auf drohende Leistungseinschränkungen und auf eine potentielle Verschlechterung in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung rechtzeitig hinzuweisen. Für diesen Weg stand und steht die österreichische Ärzteschaft. Das setzt aber voraus, der Realität ins Auge zu sehen, kritikfähig zu sein und offen liegende Probleme nicht schön zu reden. Wir sehen uns im Einklang mit der österreichischen Bevölkerung und wollen in deren lnteresse auch in Zukunft an der Sicherung des hohen Standards der Versorgung konstruktiv mitarbeiten.
Hochachtungsvoll
Präsident Dr. Karl Forstner, e.h.
Ärztekammer Salzburg
Präsident Dr. Michael Jonas, e.h.
Ärztekammer Vorarlberg
Präsident Dr. Herwig Lindner, e.h.
Ärztekammer Steiermark
Präsident Dr. Christoph Reisner, MSc, e.h.
Ärztekammer NÖ
Präsident Dr. Josef Huber, e.h.
Ärztekammer Kärnten
Präsident Dr. Michael Lang, e.h.
Ärztekammer Burgenland
Präsident Dr. Peter Niedermoser, e.h.
Ärztekammer OÖ
Präsident Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres, e.h.
Ärztekammer Wien
Dr. Johannes Steinhart, e.h.
BKO der niedergelassenen Ärzte und Vizepräsident der ÖÄK, Dr. Harald Mayer, e.h.
BKO der angestellten Ärzte und Vizepräsident der ÖÄK

Dr. Arthur Wechselberger, Präsident Ärztekammer Tirol und Präsident der Österreichsichen Ärztekammer

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Herrn
Präsident
Dr. Arlur Wechselberger
Österreichische Arztekammer
Weihburggasse 10-12
1010 Wien
Wien, am 24. März 2015

Betreff: Offener Brief – Verantwortungsvolle Gesundheitspolitik im Interesse der Patientinnen und Patienten
Sehr geehrter Herr Präsident Dr. Wechselberger!
Das österreichische Gesundheitssystem zeichnet sich durch eine umfassende Gesundheitsversorgung auf höchstem Niveau aus – mit einer sehr guten Verfügbarkeit und Zugänglichkeit zu medizinischen Leistungen und hohen Qualitätsstandards. Darauf kann Österreich zu Recht stolz sein. Als Verantwortungsträger sind wir einer nachhaltigen Absicherung unseres solidarischen Gesundheitssystems trotz steigendem Kostendruck verpflichtet. Mit der Gesundheitsreform haben wir daher Schritte gesetzt, um die Leistungen für die Menschenauszubauen und das System finanzierbar zu halten. Beispielsweise seien hier erstePilotprojekte auf Basis des beschlossenen Konzepts zur Stärkung der Primärversorgung, eine österreichweite Gesundheitsförderungsstrategie inklusive der dafür notwendigen Finanzierung, die Gratiszahnspange für Kinder und Jugendliche bei Behandlungsbedürftigkeit sowie die Vereinbarung zum Ausbau der Kinderrehabilitation genannt.
Die gegenwärtigen Aussagen von einigen Vertreterinnen und Vertretern der Ärzteschaft
rund um die aktuellen Auseinandersetzungen zu Arbeitsbedingungen von Spitalsärztinnen und Spitalsärzten, zu drohenden Leistungseinschränkungen und Versorgungsengpässen tragen dazu bei, den Menschen das Gefühl zu geben, dass dieses sehr gute Gesundheitssystem in Gefahr sei. Das entspricht nicht den Tatsachen.
Als Verantwortungsträger in der österreichischen Gesundheitspolitik weisen wir Verhaltensweisen, die geeignet sind, das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in das
Gesundheitssystem zu schwächen und den eingeschlagenen Reformkurs zu gefährden,
entschieden zurück!
Verantwottungsvolle Gesundheitspolitik bedeutet, sich im Sinne der Patientinnen und Patienten für die nachhaltige Absicherung des Gesundheitssystems und den Ausbau der Gesundheitsversorgung einzusetzen. Als Partner der Gesundheitsreform werden wir daher auch weiterhin zum Wohle der Patientinnen und Patienten engagiert an der Umsetzung der Gesundheitsreform arbeiten. Wir appellieren eindringlich an Sie als Präsident aller Ärztinnen und Ärzte Österreichs, die konstruktiven Kräfte zu stärken, gemeinsam mit uns jenseits von Berufs- und Standesinteressen an diesem gesundheitspolitischen Ziel zu arbeiten und die lnteressen der Ärzteschaft verantwortungsvoll einzubringen – zum Wohle der Patientinnen und Patienten und auch im lnteresse der vielen tausenden Ärztinnen und Ärzte, die täglich um das Wohl und die Gesundheit der Menschen kämpfen.
Bundesministerin Dr.in Sabine Oberhauser, Bundesminister Dr. Hans Jörg Schelling, Bundesmin Rudolf Hundstorfer, Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer, LR Dr. Christian Bernhard, Mag. Peter McDonald, Vorsitzender HVB, Stadträtin Mag.a Sonja Wehsely,
LR Dr. Peter Rezar, Mag.a lngrid Reischl, Obfrau WGKK