Die Sorgen, die die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) wegen der massiven Abwanderung junger Medizinerinnen und Mediziner zuletzt geäußert hat, sind sehr ernst zu nehmen, auch die Österreichische Ärztekammer warnt seit Jahren davor. Die ÖH hat Umfrageergebnisse präsentiert, wonach die Mehrheit der befragten Medizinstudierenden nach ihrem Abschluss ins Ausland gehen wollen. Den Forderungen der ÖH nach „bester Versorgung von Patientinnen und Patienten statt politischer Ignoranz“ und „besten Arbeitsbedingungen für verantwortungsvolle Tätigkeit“ ist im Wesentlichen zuzustimmen, zum Beispiel „drohender Abwanderung entgegensteuern“ oder „Stellen schaffen, nicht Stellen streichen“.
Ebenso konstant, wie die Ärztekammer vor einem Ärztemangel und dessen negativen Auswirkungen auf die Versorgung warnt, verweigert die Gesundheitspolitik, dieses Problem auch zur Kenntnis zu nehmen, geschweige denn zu lösen. Dabei sprechen die Zahlen eine klare Sprache: Der Prozentsatz der Promovierenden im Inland, die mittel- bis langfristig dem österreichischen Gesundheitssystem nicht zur Verfügung stehen, liegt bei 36 Prozent. Außerdem ist die Ärzteschaft in Österreich überaltert. Diesem Trend steht allerdings kein entsprechender Ärzte-Nachwuchs gegenüber. Bei den niedergelassenen Fachärzten ist die Perspektive nicht weniger alarmierend.
Der Arztberuf ist offensichtlich für junge Menschen wegen der unbefriedigenden Rahmenbedingungen nicht mehr attraktiv. Es geht also darum, seine Attraktivität wieder herzustellen. Deshalb fordert die Ärztekammer seit Langem bessere Rahmenbedingungen für Menschen, die sich für den Arztberuf entscheiden. Erforderlich ist, neben einer angemessenen Honorierung ärztlicher Tätigkeit, eine Vielfalt von Organisations- und Versorgungsformen: Also Vernetzung und Verbesserung von Zusammenarbeits-Formen, von der Stärkung und Weiterentwicklung von Einzelordinationen in Netzwerken bis hin zu zeitgemäßen Kooperationsformen. Gefordert sind flexible Formen der ärztlichen Zusammenarbeit wie Gruppenpraxen, Teamarbeit in Hausarztpraxen, Praxisnetzwerke, Time-Sharing-Praxen und geeignete Formen der Vertretung ebenso wie angemessene Bereitschaftsdienst-Modelle.
Die Grundlage für eine Motivation junger Mediziner für eine ärztliche Tätigkeit wird in der Ausbildung gelegt. Erforderlich ist deshalb eine verbesserte allgemeinmedizinischen Ausbildung und eine öffentlich finanzierte Lehrpraxis.
Zu besseren Rahmenbedingungen gehört auch ein Abbau von Bürokratie, die für Patientinnen und Patienten keine Vorteile bringen. Hier muss auch die ELGA in der ursprünglich geplanten Form erwähnt werden, die einen enormen zusätzlichen Zeitaufwand mit sich brächte. Zeit, die Ärztinnen und Ärzte für ihre Patienten nützen könnten. Ausdrücklich zu fordern ist im Zusammenhang der Entbürokratisierung das Ende der Chefarztpflicht. Sie ist überflüssig, bürokratisch und zeitlich aufwändig, und sie behindert Patienten und Ärzte. Werden diese und weitere Maßnahmen endlich umgesetzt, dann ist eine Basis dafür geschaffen, dass der Arztberuf für junge Menschen wieder attraktiver wird und weniger Absolventen des Medizinstudiums einen anderen Beruf als den des Arztes ergreifen oder ins Ausland gehen.
Wir begrüßen sehr, dass sich die ÖH in diesem Sinn zu Wort meldet. Von der Politik ist zu fordern, dass die Erwartungen und Forderungen von Medizinstudierenden und Jungmedizinern verstärkt berücksichtigt werden.