2014 war für die österreichische Gesundheitsversorgung und für die Ärzteschaft ganz besonders herausfordern. Wohl noch nie zuvor war der Ärzteberuf als freier Beruf so gefährdet wie im vergangenen Jahr, wohl noch nie war der niedergelassene Bereich derart in seiner Existenz bedroht, und nie zuvor war die Bereitschaft der Gesundheitspolitik, eine Medizin ohne Ärzte zu betreiben und unser Gesundheitssystem sukzessive zu ent-ärztlichen, derart präzise erkennbar.
Zum Beispiel
Einige Beispiele von vielen: Unter der Chiffre Primary Healthcare bzw. Primärversorgungzentren wollte Ex-Gesundheitsminister Stöger phasenweise medizinische Versorgungseinrichtungen schaffen, in denen „Einschätzung des Behandlungsbedarfes und der Dringlichkeit sowie Ersthilfe“, aber auch „Anamnese, Erstdiagnostik, abgestufte weiterführende Diagnostik und Therapie“ nicht mehr notwendiger Weise durch Ärzte erfolgen, sondern durch „verschiedene Gesundheitsberufe“. Für Patienten kann es allerdings lebensgefährlich werden, wenn Vertreter „verschiedener Gesundheitsberufe“ sich z.B. um Menschen mit möglicher Suizidgefährdung, dekompensierter Herzinsuffizienz, Meningokokken-Infektion oder dem Risiko eines Schlaganfalls kümmern. Dafür ausgebildet sind zwar ausschließlich Ärzte, aber wer ein überzeugter Ideologe ist, der lässt sich durch so Petitessen nicht beirren und von seinem anti-ärztlichen Weg abbringen.
Zu Ende gedacht, hätte die Realisierung des ursprünglichen Entwurfs von BM Stöger die Abschaffung niedergelassener Ärzte und das Ende der freien Arztwahl bedeutet, eventuell auch der sozialen Medizin, wie wir sie kennen. Es hätte keine neuen Kassenstellen und keinen Kollektivvertrag für Ärzte mehr gegeben.
Aktuell schwärmen manche Politiker von sogenannten „Paramedics“, die in FH ausgebildet und als Notfallsanitäter eingesetzt werden sollen. Dass ein Schnellsiedekurs nicht mit der langjährigen akademischen und praktischen Ausbildung eines Arztes vergleichbar ist, und sich diese Differenz stark zuungunsten der Patienten auswirken kann, das wird im Paramedics-Konzept eben in Kauf genommen.
Und aktuell erleben wir in einer ministeriellen Arbeitsgruppe zum Mutter-Kind-Pass – auch dies eine Hinterlassenschaft vom Ex-Gesundheitsminister Stöger – die absurde Situation, dass eine Mehrheit von medizinischen Laien bei Abstimmungen über medizinische Fachfragen die Minderheit von Ärzten jederzeit locker überstimmen kann. Das lässt befürchten, dass der bewährte MuKi-Pass, der die Morbidität und Mortalität von Müttern und Kindern eindrucksvoll gesenkt hat, nach seinem 40. Bestandsjubiläum ernsthaft Schaden nehmen wird.
Brisanter Mix aus Sparphantasien, Ideologie und Machtpolitik.
Diese Liste von Entärztlichungs-Versuchen ließe sich fortsetzen. Gemeinsamer Nenner ist, das die Gesundheitspolitik zu glauben scheint, dass es eine Medizin ohne Mediziner geben kann. Dahinter steht ein brisanter Mix aus Sparphantasien, Ideologie und Machtpolitik. Der niedergelassene Bereich, also Ärzte als Ausübende eines freien Berufes, sind manchen Gesundheitspolitikern und -bürokraten mit ihrem zum Teil hochentwickelten Hang zum Rationieren, Regulieren und Reglementieren natürlich ein Dorn im Auge. Schließlich warnte die Ärzteschaft konsequent vor den Auswirkungen der „Gesundheitsreform“, des „Kostendämpfungspfades“, der ELGA in ihrer bekannten Form, der Bürokratie-Auswüchse in Ordinationen, dem Ärztemangel und insgesamt vor einer Politik, die eine ausreichende medizinische Versorgung nicht-wohlhabender Menschen zunehmend gefährdet.
Damit haben manche Gesundheitspolitiker und -Bürokraten natürlich wenig Freude, und da reift schon einmal der Wunsch, das ihnen lästige „gallische Dorf“ der niedergelassenen Ärzteschaft zu stürmen und zu disziplinieren. Doch Asterix-Leser wissen: das ist nicht ganz einfach, denn das „gallische Dorf“ weiß sich zu wehren. Und die niedergelassene Ärzteschaft natürlich auch.
Anti-Aerzte-Allianz
Die entschlossene Allianz zwischen Gesundheitsministerium, Hauptverband, mancher regionalen oder städtischen Gesundheitspolitik und manchen GKK, die wir in der jüngeren Vergangenheit beobachten mussten, als es z. B. um das Durchdrücken hochproblematischer Formen von PHC-Modellen ging, war in der Tat eindrucksvoll und in dieser Form kaum Gekanntes. Dazu kamen noch einige „Patientenanwälte“, die sich ganz offensichtlich als Anwälte ihrer Auftraggeber verstehen, und unverblümt Gesundheitspolitik betreiben, den Ärztestand und seine Vertretung diskreditieren, dafür aber die Krankenhäuser im Einflussbereich ihrer Auftraggeber weitestgehend ungeschoren lassen.
Genützt hat das im Fall der PHC a la Stöger alles nichts. Der entschlossene Widerstand der Ärzteschaft und anderer hat diesen Anschlag auf den niedergelassenen Bereich – mit dem im Übrigen laut aktueller Umfrage 96 Prozent der Österreicher zufrieden sind – scheitern lassen. Im neuen PHC-Papier des Ministeriums steht wieder der Arzt im Mittelpunkt, und mit der neuen Gesundheitsministerin Dr. Oberhauser und dem neuen Hauptverband-Präsidenten Mag. McDonald gibt es wieder ein konstruktives Gesprächsklima.
Auch in Zukunft entschlossen auftreten
Für mich als Ärztevertreter bedeutet das alles in erster Linie eine Ermunterung zu einem auch weiterhin entschlossenen Vorgehen gegen alle Versuche, die Ärzteschaft zu schwächen, den freien Arztberuf abzuschaffen und aus niedergelassenen Medizinern Mitarbeiter von zukünftigen Gesundheitseinrichtungen zu machen, die dem Staat, einer Sozialversicherung oder internationalen Konzernen unterstehen. Kein Arzt soll, wie es unter BM Stöger geplant war, „motiviert“ werden, seine Praxis aufzugeben, auf die Sicherheiten des Gesamtvertrages zu verzichten und als Mitarbeiter eines Versorgungszentrums leben und arbeiten müssen, wenn er das nicht will. Wir werden das bewährte Modell einer Gesundheitsversorgung mit niedergelassenen Ärzten im Zentrum nicht von Ideologen und Ökonomen schrottreif schießen lassen, damit man uns abschaffen und in der Folge besser disziplinieren kann.
Gemeinsam gegen ein zentral gelenktes Gesundheitssystem
Eine zentral gelenkte – egal ob staatlich oder von internationalen Konzernen – Medizin, wie sie manchen vorschwebt, ist aber auch das Letzte, das sich Bürger und Patienten wünschen können. Denn dann, so viel muss jedem klar sein, schlägt die Stunde der Ökonomen im Vollbild. Diese haben bereits jetzt in der Gesundheitsversorgung oft viel zu viel mitzureden, und hätten dann noch viel mehr zu bestimmen, als einer patientenorientierten Gesundheitsversorgung gut täte. Kein Mensch, dem seine Gesundheit lieb ist, kann sich ernsthaft ein Gesundheitssystem wünschen, in dem Ärzte nichts mehr zu sagen haben, sondern stattdessen Aktionäre, Verwalter, Controller und Ökonomen. Bleiben wir also wachsam, den die Ent-Ärztlichung und Ent-Medikalisierung des Gesundheits-Systems hat mehr Befürworter, als der Versorgung gut tut.
Ich wünsche Ihnen/Dir alles Gute für 2015!