Aus guten Gründen beschäftigt das Thema „Ärztemangel“ die Medien wie noch nie zuvor. Dass allerdings der bereits bestehende und umso mehr drohende Ärztemangel seitens der Gesundheitspolitik und Gesundheitsbürokratie im Großen und Ganzen geleugnet wird, ist angesichts der Zahlen und Fakten schon sehr erstaunlich: Rund 700 Absolventen der österreichischen Medizin-Universitäten gehen jedes Jahr ins Ausland. In Wien z.B. sind derzeit mehr als 700 niedergelassene Allgemeinmediziner älter als 56 Jahre, aber nur 19 jünger als 35. Bei den niedergelassenen Fachärzten schaut die Entwicklung ähnlich aus: In der Gruppe der niedergelassenen Fachärzte befinden sich Österreich-weit zwei Drittel in der Altersgruppe 50 plus. Mehr als die Hälfte der im ländlichen Raum tätigen Ärztinnen und Ärzte werden in den kommenden 10 Jahren in Pension gehen. Nachwuchs zu finden ist oft schwierig bis unmöglich.
Diese Entwicklung mag viele Gründe haben, in jedem Fall hat der Arztberuf in den vergangenen Jahrzehnten enorm an Image und Attraktivität eingebüßt und ist für Junge offensichtlich immer weniger attraktiv. Als Ärztevertreter finde ich das nicht verwunderlich, denn die Arbeitsbelastung für niedergelassene Mediziner ist insbesondere auf dem Land enorm, die Verdienstmöglichkeiten stehen zum Aufwand in keinem zumutbaren Verhältnis. Unabhängig vom Standort machen uns Deckelungen und Degressionen zu schaffen, also die Schlechterdotierung bestimmter ärztlicher Leistungen ab einem gewissen Leistungsumfang – und zwar unabhängig davon, ob und wie viele Patienten diese Leistungen brauchen oder nicht. Dazu kommen ein zunehmender bürokratischer Aufwand und die teilweise schikanöse Praxis der Chefarztpflicht, von der zu befürchtenden ELGA-zukunft ganz zu schweigen.
Junge Leute wissen das, und viele schrecken deshalb vor einer Tätigkeit im niedergelassenen Bereich zurück, bzw. entscheiden sich für die Ausübung dieses Berufes im Ausland und profitieren von den vielerorts höheren Honoraren und besseren Rahmenbedingungen. Diese Rahmenbedingungen in Österreich zu verbessern, weigern sich Gesundheitspolitik und -bürokratie seit Jahren beharrlich. Das Problem des Ärztemangels wird dort konsequent verneint: Denn wenn es kein Problem gibt, dann braucht man auch keine Lösung dafür.
Mitentscheidend für die Lösung des Problems „Ärztemangel“ in Zukunft ist natürlich, welche Erwartungen Medizinstudierende oder Absolventen der Medizin-Universitäten an den Beruf als niedergelassene Ärzte haben, und ob diese Vorstellungen mit den beruflichen Realitäten in Einklang zu bringen sind. Darüber besteht offensichtlich in der Gesundheitspolitik sehr wenig Wissen. Was z. B. dadurch illustriert wird, dass der Hauptverband Medienberichte zum Thema „Was sich Jungärzte wünschen“ veröffentlichen lässt und dabei auf eine „Sensor-Marktforschungs-Umfrage im Auftrag des Hauptverbandes“ Bezug nimmt, allerdings zum Teil ohne aus den Umfrageergebnissen eine einzige konkrete Zahl zu zitieren. Das ist doch zumindest ungewöhnlich – scheint wohl nicht so recht geklappt zu haben mir der Erhebung unter den Jungmedizinern bzw. deren Ergebnissen.
Die Bundeskurie Niedergelassene Ärzte hat hier die Initiative ergriffen. Es sollte in der Gesundheitspolitik nicht über Studierende und Absolventen gesprochen werden, sondern mit ihnen, weshalb wir vor einigen Wochen Medizinstudierende und Absolventen zu einer speziellen Veranstaltung eingeladen haben. In einem World Café wollten wir herausfinden, was sich die Teilnehmer von ihrer beruflichen Zukunft erwartet, was sie brauchen, um sich leichter für den Beruf des niedergelassenen Arztes entscheiden zu können, welche Arbeits- und Kooperationsformen sie sich wünschen, etc. Die jetzt ausgearbeitete erste Zusammenfassung dieser strukturierten Gesprächsrunden ist – wiewohl nicht repräsentativ – sehr aufschlussreich, bietet sehr häufig eine Bestätigung der Politik der Ärztekammer, und oft wichtige Impulse für weitere Überlegungen. Wir werden die Analyse dieser Ergebnisse vertiefen.
Als beeindruckend wurde von den Gastgebern des World Cafe das hohe Engagement der Gäste beschrieben – und die Tatsache, dass sich rund drei Viertel von ihnen eine Tätigkeit als niedergelassene Mediziner prinzipiell vorstellen können, wenn die Voraussetzungen stimmen.
Die Bundeskurie wird jedenfalls den eingeschlagenen Weg der Intensivierung der Beziehungen mit dem medizinischen Nachwuchs strukturiert fortsetzen. Es zeigte sich, dass bei vielen Teilnehmern des World Café ein gewisser Informationsbedarf besteht, sowie ein starkes Mitteilungsbedürfnis gegenüber der Gesundheitspolitik. Und umgekehrt war für die Ärztekammer als Gastgeber der Austausch sehr inspirierend und hat uns auf neue Ideen gebracht.
Jedenfalls hat die engagierte Teilnahme der Studierenden und Jungmediziner einen Prozess angestoßen, über den ich Sie in Zukunft auf dem Laufenden halten werde.