MuKi-Pass: Ärzteschaft soll mittels Mega-Bürokratie an den Rand gedrückt werden – überraschende Unterstützung durch den Rechnungshof

Heute einige Überlegungen zu einem Thema, das vielleicht – noch – keine tagespolitische Brisanz hat, uns aber voraussichtlich in Zukunft sehr beschäftigen wird. Wir befinden uns gerade am Anfang eines problematischen Prozesses, bei dem es einmal mehr um eine „Reform“ geht, diesmal um die des bewährten Mutter-Kind-Passes.

Dieser ist seit 40 Jahren ein Paradebeispiel dafür, wie mit systematisch durchgeführten ärztlichen Maßnahmen Sterblichkeit und Krankheitshäufigkeit bei Kindern und ihren Müttern sehr erfolgreich gesenkt werden konnte. Natürlich sind diese Maßnahmen immer wieder an neue medizinische Gegebenheiten und Herausforderungen anzupassen, zum Beispiel an das Phänomen zunehmender Frühgeburten. Diese Anpassungen ließen sich, etwas guten Willen vorausgesetzt, mit entsprechender ärztlicher Expertise rasch, effizient und unkompliziert durchführen.

Aber eben nur mit gutem Willen. Denn die „multiprofessionelle“ Facharbeitsgruppe (FAG) für die Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Passes, die uns das Gesundheitsministerium jetzt – die Konzeption geht auf die Ära Stöger zurück – als Gremium der Entscheidungsfindung für den MuKi-Pass der Zukunft vorgibt, ist ein völlig übertriebenes, bürokratisch-aufwändiges und letztlich wohl sehr teures Mammut-Unternehmen, das selbst gestandene Ärztevertreter in Erstaunen versetzten kann.

In der von BM Stöger&Team strategisch ausgetüftelten FAG, die kürzlich zum ersten Mal getagt hat, sind fast unglaubliche 18 Organisationen/Institutionen vertreten, die bis Ende 2016 arbeiten sollen. Und nachdem die FAG ihre Empfehlungen abgegeben hat, befindet darüber noch ein endgültiges Entscheidungsgremium, in dem neben den traditionellen Sozialpartnern zuhauf Institutionen, Organisationen, Interessensgruppen plus sonstige „relevante Stakeholder“ vertreten sind. Um – wohlgemerkt – unter anderem über medizinische Spezialfragen zu entscheiden, für deren Verständnis ein hohes Maß an Fachwissen und Erfahrung erforderlich ist.

Kein leichtes Erbe also für Gesundheitsministerin Dr. Sabine Oberhauser, die selbst Kinderärztin ist.

Klar erkennbar ist BM Stögers Handschrift auch bei der Verfolgung eines seiner Lieblingsziele: die Ärzteschaft bei Entscheidungsfindungs-Prozessen möglichst an die Wand zu drücken und überstimmen zu können. In Arbeitsgruppen macht man das eben mittels Geschäftsordnung und strategischer Mitglieder-Auswahl. In der FAG mit ihren 18 Mitgliedern befinden sich acht Ärzte (Entscheidungen fallen mit 75 Prozent der Stimmen), was bedeutet, dass eine Mehrheit von 10 nichtärztlichen Mitgliedern mit sehr unterschiedlichem Ausbildungs- und Berufshintergrund auch über medizinische Fachfragen abstimmen. Dies erforderte aber mitunter ein außerordentlich hohes Maß an Spezialkenntnis.

Erstaunliches zeitliches Zusammentreffen mit der Konstituierung der FAG: Just jetzt, als Stögers Erbe in Sachen MuKi-Pass erkennbare Konturen anzunehmen beginnt, erscheint ein Bericht des Rechnungshofes mit der kritischen Aussage: „Der Nutzen des Mutter-Kind-Passes bzw. einzelner Untersuchungen wurde seit seiner Einführung vor rd. 40 Jahren nicht evaluiert“. Nicht nur die involvierten wissenschaftlichen Fachgesellschaften bestätigen aber sehr wohl die beeindruckenden Erfolge des MuKi-Passes bei der Verringerung von Mortalität und Morbidität – zuletzt bei einem Symposium zum 40jährigen Jubiläum des MuKi-Passes in der „Gesellschaft der Ärzte“.

Außerdem, so der Rechnungshof, seien zwischen 2008 und 2011 die Ausgaben für den MuKi-Pass um 4,9 Prozent auf zuletzt 53,77 Millionen Euro gestiegen – bei allem Respekt, aber so niedrige Kostensteigerungen würde man sich in vielen Bereichen nur wünschen. Dennoch: Wasser auf die Mühlen der „Reformer“.

Insgesamt steht zu befürchten, dass sich der MuKi-Pass, so wie er sich seit 40 Jahren bewährt, am Ende des geplanten Prozesses durch vielfältige Einflussnahmen nicht mehr wieder zu erkennen sein wird. Dass, wenn nichts Geeignetes passiert, die medizinischen Maßnahmen verwässert werden und am Ende die Kosten explodieren, weil medizinisch fragwürdige Zusatzleistungen durchgedrückt werden, die dann auch bezahlt werden müssen.

Im Sinne der Sache ist deshalb sehr zu hoffen, dass Gesundheitsministerin Dr. Oberhauser in dieser überaus wichtigen Angelegenheit die Bremse zieht und die Weichen anders stellt. Die Ärzteschaft bietet dabei sehr gerne ihre Expertise an.